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Janine Lampprecht ist die Gründerin der Grenzlotsen GmbH.

"Ende mit Schrecken beim Zoll-Streit"

Janine Lampprecht ist die Gründerin der Grenzlotsen GmbH. Sie unterstützt Unternehmen bei der Optimierung ihres Zollwesens. Sie verrät, was die neuen Regeln für die Wirtschaft in der Praxis bedeuten.

Die Einigung im transatlantischen Zollkonflikt ist da – doch für viele Unternehmen beginnt jetzt erst die eigentliche Herausforderung. Denn was auf dem Papier nach Entlastung klingt, bedeutet in der Praxis vor allem: neue Bürokratie, neue Regeln, neue Unsicherheiten. Es geht jetzt nicht mehr um Schlagzeilen, sondern um Zolltarifnummern, Lieferantenerklärungen und Ursprungsbelege – genau da droht vielen der Kontrollverlust. Dieser Beitrag verrät, wie sich die neuen Abkommen konkret auf Importe, Lieferketten und Preise auswirken – und was Betriebe jetzt sofort prüfen sollten, um nicht in teure Fallen zu tappen.

Warum die neuen Regeln operative Risiken mit sich bringen

Die politische Einigung soll den transatlantischen Handel erleichtern, doch in der Realität stellt sie vieles auf den Kopf. Denn bis heute liegt keine finale Verordnung vor, obwohl die Übergangsfrist am 1. August endet. Unternehmen müssen also Prozesse und Entscheidungen anpassen, ohne zu wissen, welche Zollsätze konkret gelten und welche Nachweise im Ernstfall wirklich ausreichen.

Besonders problematisch ist die Lage bei Waren, die bereits unterwegs sind: Zwar sollen in bestimmten Fällen noch alte Zollsätze greifen, doch wie diese Ausnahmen angewendet werden, ist unklar. Selbst professionelle Zollbroker berichten von Unsicherheiten und fehlerhaften Abfertigungen. Für viele Betriebe heißt das: Jeder einzelne Import muss geprüft werden, gerade jetzt.

Wo jetzt Fehler richtig teuer werden

Die Unsicherheiten treffen auf Strukturen, die schon vorher anfällig waren: Komplexe Lieferketten, veraltete Stammdaten, intransparente Prozesse bieten zahlreiche Möglichkeiten für Zollpannen. Besonders kritisch wird es dort, wo neue Regeln in alte Schwachstellen greifen.

Ein zentrales Beispiel ist die Ursprungsprüfung: Noch immer gilt fälschlich das Versandland als maßgeblich, entscheidend ist jedoch, wo die letzte wesentliche Be- oder Verarbeitung stattfand. Gerade bei Lieferungen aus der EU, deren Ursprung beispielsweise in China liegt, können deutlich höhere Zollsätze anfallen, mit Folgen für Kalkulation und Marge.

Tarifierung, Präferenzen, Zollwert: Details mit Hebelwirkung

Die neuen Vorgaben erhöhen auch den Druck auf korrekte Tarifierung. Gerade bei technischen Produkten oder Lebensmitteln entstehen schnell Abgrenzungsprobleme. Unternehmen, die ungenau arbeiten oder sich auf Dienstleister verlassen, ohne eigene Kontrolle, riskieren Rückforderungen oder den Verlust von Vergünstigungen.

Auch die Anwendung von Freihandelsabkommen wird schwieriger: Fehlerhafte Präferenznachweise führen oft erst Jahre später zu Nachzahlungen, selbst wenn die Regelung eigentlich Entlastung bringen sollte. Gleichzeitig rückt der Zollwert in den Fokus: Aufschläge, Nebenkosten und Umrechnungen müssen korrekt erfasst sein. Ist der Wert zu niedrig, drohen Sanktionen; ist er zu hoch, verschenkt man Liquidität. Die Berechnungsgrundlagen verschieben sich und systematisches Arbeiten ist gefragt.

Auch Lieferbedingungen wie „Delivered Duty Paid“ (DDP) bergen neue Risiken. Bisher kalkulierbare Zölle können durch kurzfristige Änderungen zur Kostenfalle werden. Wer DDP-Klauseln nicht rechtzeitig prüft und anpasst, riskiert Belastungen, die in der Kalkulation nicht vorgesehen waren. Jetzt gilt es, Verträge zu prüfen, Zuständigkeiten zu klären und mit Partnern ins Gespräch zu gehen.

Was jetzt zählt: Datenqualität, Prozesse, Kontrolle

Je komplexer die Anforderungen, desto wichtiger sind belastbare Strukturen. Unternehmen sollten gezielt prüfen, welche Warengruppen, Regionen und Partner betroffen sind und dort Prioritäten setzen. Besonders wichtig ist die Qualität der Stammdaten: Zolltarifnummern, Ursprung, Zollwert – alles muss aktuell und prüfungssicher sein.

Gleichzeitig braucht es klare Prozesse, digitale Checklisten und verbindliche Prüfmechanismen. Besonders wirksam sind rollierende Audits, um Schwachstellen bei Tarifierung, Präferenzen oder Lieferkonditionen frühzeitig zu erkennen und zu beheben.

Fazit

Kurzfristig entsteht für viele Betriebe ein operatives Risiko – vor allem dort, wo Prozesse unklar, Daten lückenhaft und Zuständigkeiten nicht geregelt sind. Die neuen Regeln schaffen Grauzonen und wer sie nicht systematisch angeht, wird von ihnen überrollt.

Deshalb gilt jetzt: Nicht nur reagieren, sondern vorausschauen. Wer seine Lieferketten, Verträge und Zollprozesse aktiv neu ausrichtet, kann die Spielräume des Abkommens nutzen, statt später die Konsequenzen seiner Versäumnisse zu tragen. Klar ist: Zoll ist kein Nebenprozess. Zoll ist ein Risikofaktor. Und er ist Chefsache.

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geschrieben am

13.08.2025