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JKU Studie für den Handel: Kundenbindung oder Rabatt?

Handel: Kundenbindung oder Rabatt?

Ober sticht Unter: eine JKU - IHaM-Analyse hinterfragt, was stärker den Kunden ans Geschäft bindet: ein Treueprogramm oder Rabatte?

Digitale Kundenbindungsprogramme stehen zunehmend im Fokus öffentlicher Diskussionen – vor allem durch die Verlagerung von Rabattvorteilen in digitale Kanäle. Das Zurückfahren analoger Formate wie Rabattpickerl hat bei Konsumenten Irritation ausgelöst. Vor diesem Hintergrund untersucht das Institut für Handel, Absatz und Marketing (IHaM), ob Kundenbindung Ausdruck wechselseitigen Vertrauens ist – oder primär ein systematischer Tausch von Daten gegen monetäre Vorteile.

Die Ausgangslage unserer Studie stellt sich wie folgt dar: 89 % der Konsumenten (16-74 Jahre) sind mit ihrem bevorzugten Lebensmittelgeschäft zufrieden. 81 % sehen sich als treue, loyale Kunden und nahezu alle Konsumenten nehmen an Kunden- bindungsprogrammen (Karten, Apps, etc.) im Lebensmitteleinzelhandel teil. Die Ergebnisse zeigen: finanzielle Anreize – insbesondere exklusive Rabatte (für 88 % der Konsumenten) und Belohnungen (für 82 %) – die Hauptgründe für die Nutzung von Stammkundenprogrammen im Lebensmitteleinzelhandel sind (Mehrfachnennungen der Gründe).

Informationsvorteile und personalisierte Angebote spielen eine nachgelagerte Rolle (für 56 % bis 65 % der Konsumenten). Emotionale Motive wie Wertschätzung (54 %) oder Zugehörigkeit (39 %) sind weniger relevant. Die Kundenbindung erfolgt somit überwiegend transaktionsorientiert – nicht beziehungsbasiert.

Ohne Bonus kein Bonus

Auch ohne Rabatte/Boni im Stammkundenprogramm würden 78 % der befragten Konsumenten weiterhin in ihrem bevorzugten Lebensmittelgeschäft einkaufen (22 % jedoch sofort wechseln) – allerdings mit Einschränkungen: Drei Viertel (76 %) würden ohne geldwerte Vorteile der Programme auf günstigere Produkte umsteigen.

Gleichzeitig erhöht sich ohne Rabatte/Belohnungen die Wechselbereitschaft: 57 % würden häufiger (auch) in anderen Lebensmittelgeschäften einkaufen. Zudem würde die Hälfte (52 %) weniger häufig das bisher bevorzugte Geschäft aufsuchen und wenn, dann hier weniger Produkte (51 %) einkaufen.

Loyalität besteht oft nur unter Vorbehalt – der Wegfall von Belohnungen führt zu spürbarer Kaufzurückhaltung und erhöhter Wechselneigung (hin zu anderen Lebensmittelgeschäften).

„Die vorliegenden Analyseergebnisse zeigen, dass Rabatte, Prämien und Boni zentrale Treiber für die Teilnahme an Kundenbindungsprogrammen sind – vor allem im hoch- kompetitiven, aktionsgetriebenen Lebensmittelhandel. Denn ohne geldwerte Vorteile von Stammkundenprogrammen sinken Einkaufsfrequenz und – ausgaben und steigt die Wechselbereitschaft hin zu anderen Geschäften. Kundenbindung wird dadurch in vielen Fällen zur Funktion des Belohnungssystems, nicht aber zur Folge einer gewachsenen Beziehung. Gleichzeitig wird deutlich: Wo emotionale Bindung besteht, zeigen Kund:innen eine höhere Treue – auch ohne materielle Anreize“, fasst Dr. Ernst Gittenberger die aktuellen Analyseergebnisse zusammen.

„Echte Loyalität entsteht dort, wo Handelsunternehmen über Transaktionen hinaus in Beziehungspflege investieren – etwa durch persönliche Interaktion, gelebte Empathie und authentisches Kundenverständnis. Genau diese traditionellen Kaufmannstugenden – Zuhören, Verlässlichkeit, individuelle Problemlösungen – geraten jedoch zunehmend in den Hintergrund. In einer Marktumgebung, die durch Preiswettbewerb, Filialisierung und digitale Vergleichbarkeit geprägt ist, wird Bindung zur strategischen Herausforderung. Denn wie in jeder echten Beziehung gilt: Wahre Treue zeigt sich nicht im Vorteil – sondern im Verzicht“, resümiert Univ.-Prof. Dr. Christoph Teller.

Gründe zur Teilnahme an Stammkundenprogrammen im Lebensmittelhandel

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geschrieben am

25.07.2025