Lieferketten neu denken
Angesichts zunehmender globaler Risiken – von Extremwetterereignissen bis zu geopolitischen Spannungen – rückt die strategische Absicherung von Lieferketten immer stärker in den Fokus. Die geplante EU-Lieferkettenrichtlinie (Corporate Sustainability Due Diligence Directive, CSDDD) zwingt Unternehmen zu mehr Transparenz, ist aber laut Experten keine bloße Bürokratie, sondern wirtschaftliche Notwendigkeit.
Nur ein Bruchteil der Unternehmen kennt seine gesamten Zulieferstrukturen. Laut Komplexitätsforscher Peter Klimek haben nur 6 % der Unternehmen vollständigen Überblick über ihre Lieferketten, was ein erhebliches Risiko darstellt. Die neue Richtlinie – trotz Aufschub auf 2028 und abgeschwächter Anforderungen – erhöht den Handlungsdruck insbesondere in den Bereichen Compliance, Einkauf und Risikomanagement.
Vergaberechtsexperte Martin Schiefer betont, dass insbesondere die öffentliche Beschaffung eine strategische Rolle übernehmen kann. Mit einem jährlichen Volumen von rund € 70 Mrd. verfügt die öffentliche Hand über erheblichen Einfluss, um durch gezielte ESG-Kriterien die regionale Resilienz zu stärken. Kriterien wie regionale Wertschöpfung, kurze Transportwege und soziale Standards könnten in Vergabeverfahren stärker gewichtet werden.
Auch Unternehmen selbst sind gefordert: Der Aufbau resilienter Lieferketten sollte nicht allein als Reaktion auf gesetzliche Vorgaben, sondern als strategische Investition betrachtet werden. Vertragswerke mit Audit-Klauseln, Informationspflichten und klaren Prozessen können Risiken minimieren und die Handlungsfähigkeit im Krisenfall sichern.
Fazit: Die Transformation hin zu resilienten Lieferketten bietet nicht nur rechtliche Sicherheit, sondern kann zu einem klaren Wettbewerbsvorteil werden – vorausgesetzt, Unternehmen und öffentliche Hand nutzen den aktuellen Umbruch aktiv zur Neuausrichtung.