Preise: Luftballon wird zu gefährlicher Drohne
Um von den eigenen Problemen abzulenken, hat Finanzminister Markus Marterbauer (SPÖ) einen Themen-Luftballon losgelassen, der sich zu einer gefährlichen Drohne entwickeln kann: der vorgeschlagene gesetzliche Eingriff in die Marktpreise bei Lebensmitteln. Ein Grund ist die noch immer steigende Inflation, die wohl auch den Minister „Angst und Bang“ werden lässt. Anders lassen sich erwähnte Methoden aus dem vorigen Jahrhundert wohl nicht erklären. Sozialismus, Kommunismus, Keynesianismus und Teile des Konservatismus befürworteten schon immer diese Eingriffe. Staatliche Eingriffe bei Lebensmittelpreisen in Österreich sind aber sicher nicht die Regel und eher als Ausnahmen in Krisenzeiten zu sehen (Covid). Aus diesem Grund fallen auch die Reaktionen aus der Wirtschaft vehement aus: einheitliche Ablehnung der Händler und Hersteller ist zu vernehmen – nur mit unterschiedlichen Ansätzen, wenn es um die territoriale Lieferbeschränkung geht. Darüber hat retailreport.at bereits vor kurzem berichtet. In Wahrheit wären seriöse und konstruktive Lösungen auf der galoppierenden Ausgabenseite erforderlich, um der Wirtschaft wieder die zukunftsgerichteten Möglichkeiten und Perspektiven zu geben, die allein unser Wohlfahrtssystem garantieren können. Mit staatlichen Eingriffen verzerrt sich die Marktlage immens, was dem Wettbewerb in Zukunft langfristig schaden kann. Innovationen werden hinten angestellt, wenn sowieso alles von der politischen Macht abhängt.
Viel wichtiger wäre ENDLICH eine Regierungs-Kampagne, warum Lebensmittel etwas kosten und warum sie ihren Preis haben. Für sehr viele Themen wird Inseratengeld ausgegeben, aber nicht für eine einheitliche Kampagne FÜR den Wert von Lebensmitteln. Die AMA Marketing hat das bereits erkannt, deckt aber nur einen Teil der Wertschöpfungskette ab.
Günter Thumser, Geschäftsführer des Markenartikelverbandes, bringt es auf den Punkt: „Die Kostentreiber sind nicht die Produzenten oder der Handel. Gerade die heimischen Produzenten sind nach den schwierigen letzten Jahren nicht in der Lage, die unverändert massiv gestiegenen Energiekosten, zusätzlich erhöhte Netzkosten, die überproportional weiter steigenden Lohnkosten, die Folgekosten überbordender (EU-)Regularien, indexierter Gebührensteigerungen wie auch wachsender Rohstoff-, Logistik- und Finanzierungskosten allein zu tragen“.
Preisdeckel zeugen von wirtschaftlicher Unkenntnis
Die Regierung ist aufgerufen, mittels Deregulierung, einer umgesetzten De-Bürokratisierung sowie Rücknahme der auch in diesem Jahr wieder neu verordneten finanziellen Mehrbelastungen den Wirtschaftstreibenden wieder jenen Freiraum zu gewähren, der allein in der Lage ist, den Wohlstand in unserem Land zu sichern. „In einem Klima, wo buchstäblich jede Woche neue Belastungen und „Deckel“ in die Medien getragen werden, wird unser Land weiter an Wettbewerbsfähigkeit eigenverschuldet verlieren“, so Thumser. „Preisdeckel für Güter des täglichen Bedarfs anzuregen, zeugt von erheblicher Unkenntnis ökonomischer Zusammenhänge. Man muss hier nicht die halbleeren Regale des COMECON zitieren oder Venezuela, es reicht einfach etwa drei Jahre zurück nach Ungarn zu schauen – die Konsequenzen waren klar erkennbar. Diese Güter wurden mangels ökonomischer Realisierbarkeit (Kostendruck!!) zunehmend weniger angeboten oder waren nicht mehr verfügbar. Erschreckend, wenn man einen studierten Volkswirt darauf hinweisen muss…“.
Die Mitgliedsbetriebe des Markenartikelverbands bekennen sich selbstverständlich zu den Regeln des „Single Market“ der EU, zu deren Sicherstellung existieren zahlreiche Bündel legistischer Normierungen, im nationalen wie im EU-Recht selbst.
Aber der Appell richtet sich an die Verantwortlichen in der Politik: weg von ideologisch motivierter Symptombekämpfung via Headlines hin zu seriöser, langfristig nachhaltiger Wirtschafts- und Sozialpolitik – konkrete Vorschläge dazu liegen vor, so Thumser abschließend.
Ganze Branche ist gegen Eingriff
Angesichts der anhaltenden Inflationsdebatte sprechen sich auch führende Vertreter des österreichischen Lebensmittelhandels klar gegen staatliche Preisregulierungen aus. Christian Prauchner, Obmann des Bundesgremiums Lebensmittelhandel in der WKÖ, betont, dass Preissteigerungen vor allem durch internationale Rohstoffmärkte, steigende Produktionskosten sowie staatliche Abgaben verursacht würden. Der Handel sei von diesen Entwicklungen betroffen, aber nicht deren Verursacher.
Aktuelle Marktdaten untermauern diesen Standpunkt: So stiegen etwa die Preise für Rindfleisch und Milch aufgrund rückläufiger Tierbestände, hoher Energiekosten und Krankheiten deutlich an. Auch international ziehen Rohstoffpreise wie Kakao, Kaffee und Orangensaftkonzentrat infolge klimatischer Extreme stark an. Gleichzeitig belasten territoriale Lieferbeschränkungen internationaler Markenanbieter sowie hohe Inlandsabgaben die Kostenstruktur im österreichischen Handel zusätzlich.
Der Handelsverband, vertreten durch Geschäftsführer Rainer Will, sieht in den von Finanzminister Markus Marterbauer angedachten Eingriffen ein Risiko für Arbeitsplätze, Nahversorgung und die Verfügbarkeit regionaler Produkte. Staatlich verursachte Mehrkosten – etwa durch Gebühren, CO₂-Bepreisung oder die geplante Umsetzung der EU-Gebäuderichtlinie – würden die Lage weiter verschärfen, so Will.
Auch WKÖ-Transportobmann Alexander Klacska warnt vor zusätzlichen Belastungen durch die geplante Erhöhung der Lkw-Maut. Diese würde die Preise weiter antreiben und sei nicht vereinbar mit Forderungen nach Preisdämpfung.
Wirtschaftsforscherin und Universitätsdozentin an der WU Wien, Cordula Cerha, betont die Komplexität der Preisbildung: Preissteigerungen ließen sich nicht monokausal erklären. Höhere Einkaufspreise für Händler in kleineren Märkten wie Österreich, bedingt durch geringere Abnahmemengen und Lieferrestriktionen, spielten ebenso eine Rolle wie Energie- und Personalkosten. Eine Lösung könne primär nur auf europäischer Ebene durch die Wettbewerbspolitik erfolgen.
Auch Wolfgang Richter von RegioData relativiert die Kritik am Preisniveau: Der Anteil der Lebensmittelausgaben an den Gesamtkonsumausgaben sei in den letzten zehn Jahren konstant geblieben. Zwar gebe es teurere Markenprodukte, bei Grundnahrungsmitteln seien die Unterschiede zwischen Deutschland und Österreich jedoch überschaubar.
Ein oft zitierter Vergleich mit Spanien als Vorbild für Preispolitik wird von Branchenvertretern abgelehnt. Spanien habe keine Preisdeckelung eingeführt, sondern primär steuerliche und energiepolitische Maßnahmen umgesetzt, die so in Österreich nicht direkt übertragbar seien.